Kunst oder Malerei ?

Kunst oder Malerei?

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem leichtfertigen Umgang mit Begriff der "Künstlerin" oder des "Künstlers".


„Ist das Kunst?“, ist eine Frage, die unterschwellig durch viele Malereiseminare geistert.

Viele die zeichnen, malen oder fotografieren mögen es sich Künstlerin oder Künstler zu nennen und ihre Werke als Kunst zu bezeichnen.

Dahinter steht jedoch ein recht unterschiedlich entwickeltes Kunstverständnis. Vom schlichten „Kunst ist was gefällt“ bis hin zur (selbst-)kritisch reflektierten Einstellung ist alles dabei.

Unter Kunst versteht man im Allgemeinen die „Bildende Kunst“, zu der im Übrigen auch die Grafik, die Architektur und das Kunsthandwerk zählen. Musik, Literatur, Theater, Tanz und Film gehören hingegen zu den „Darstellenden Künsten“.

Comics, Hörfunk, Netzkunst und selbst die Werbung erweitern die klassische Grundeinteilung.

Auch kennt man die Ingenieurskunst, die Kampfkunst, die Heilkunst, grandiose Ballkünstler, die Kunst der Rede und der Diplomatie. Selbst die Kriegskunst ist und war immer Bestandteil dieses Kanons.

Kleine Polemik

Als Ballkünstler wird wohl kaum jemand bezeichnet, der nicht durch Übung, Leidenschaft, Begabung und tiefes Verständnis für das Spiel überragende kreative Momente auf den Platz zaubert. Ähnliches gilt für die Meister der Ingenieurskunst, die schon seit der Antike mit großem Wissen und Fähigkeit Bauwerke entwickeln und Landschaften gestalten.

Nur bei den schönen Künsten, insbesondere bei der Bildenden Kunst, sind viele Anfänger überraschend schnell bei der Hand, sich den Titel Künstlerin oder Künstler ans Revers zu heften.

Diese Selbstverortung, die in der Heilkunst zu bleibenden Schäden beim Patienten und in der Architektur zur Katastrophe führen könnte, wird bei den Bildenden Künsten gelassener hingenommen, weil man vielleicht annimmt, dass durch ästhetische Desaster weniger Schäden beim Betrachter entstehen.

Dem unerschrockenen Laien wird in der nachmodernen Gesellschaft viel Raum geboten, bereits seine frühen Werke der Öffentlichkeit nahe zu bringen. Kaum sind die ersten Bilder auf die Leinwand gebracht, werden sie schon über Facebook, Instagram und die eigene Homepage der Weltöffentlichkeit präsentiert.

Ein gerütteltes Maß an Skepsis gegenüber dem Urteil von Autoritäten und die Begeisterung über die frisch entdeckte eigene Kreativität, können eine schwierige Mischung aus Stolz und Unerfahrenheit entstehen lassen.

Ein Hauch von Tragik umweht solche spontanen Bemühungen um Anerkennung und Erfolg.

Wo beginnt Kunst

Eine allgemeingültige Definition von Kunst ist nicht möglich. Erst in der historischen Rückschau kann man den ständigen Wandel des Kunstbegriffs erkennen.

Sicher gehören Kreativität, Effizienz, Originalität, Radikalität, Kenntnis und Vertiefung zu den Elementen, die man heute in einem Kunstwerk wiederfinden möchte. Diese Aufzählung lässt sich natürlich noch erweitern.

Die Entstehung einer solchen, in allen Belangen reflektierten und qualitätvollen Kunst, setzt viele Jahre der Übung und des Studiums voraus.

Schnelle Erfolge

Immer wieder versprechen unseriöse Kunstseminare AnfängerInnen und GelegenheitsmalerInnen, die wenig selbstkritisch auf ihre eigene Arbeit schauen, den schnellen „Erfolg“.

Das bremst leider in den allermeisten Fällen eine künstlerische Entwicklung sogar aus.

Andererseits ist auch festzustellen, dass künstlerisch über Jahre sehr engagierte TeilnehmerInnen, bescheiden, selbstkritisch und reflektiert mit ihren Arbeiten und künstlerischen Konzeptionen umgehen. Sie zeigen eine Entwicklungsbereitschaft in ihrem eigenen Werk und ziehen ihr künstlerisches Selbstbewusstsein nicht aus Bildverkäufen und der Zahl ihrer Ausstellungen.

Andere Wege

Was die vorschnelle Selbstbezeichnung als Künstler oder Künstlerin angeht, mahne ich zur Vorsicht. Die Schwelle zur Peinlichkeit ist schnell überschritten.

Spottete doch vor Jahren ein Kollege. „Alles was man an die Wand hängen kann und nicht runterfällt, ist Kunst“

Andere Kollegen verwenden schon wieder die altertümliche Bezeichnung „Kunstmaler“ um sich von dem inflationären Gebrauch des „Künstlers“ abzusetzen.

Ich beobachte, dass andere Dozenten-Kollegen wesentlich salopper mit dem Begriff Kunstwerk und KünstlerIn umgehen. Letztendlich kann es jeder selbst entscheiden, denn Kunst ist kein geschützter Markenname.  

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten der Namensfindung.

Wer ernsthaft und regelmäßig Seminare besucht oder sogar ein Kunststudium absolviert, könnte sich KunststudentIn nennen. Das wäre eine durchaus elegante Lösung.

KunststudentIn klingt nach kreativem Potential, nach Arbeiten, die einmal Kunst werden sollen, nach offenem Geist, nach Zukunft. Es hat etwas Spielerisches ohne den Verdacht gestörter Selbstwahrnehmung.

 Maler oder Malerin, Zeichner oder Zeichnerin wäre auch durchaus angemessen.

Dieser Beitrag ist nur ein kleiner Zwischenruf und eine Aufforderung zur Selbstüberprüfung.

Was, wenn Sie daraufhin feststellen, dass Ihre eigene künstlerische Arbeit über Jahre authentisch entwickelt, qualitätsvoll umgesetzt, wahrhaftig im Anspruch und eigenartig in der Wirkung  ist ………. ?!

 

Volker Altrichter, Künstler und Dozent